Vergnüglich: ‚Odysseus‘ in der Komischen Oper Berlin****

Mit einem Paukenschlag eröffnete der neue Intendant der Komischen Oper Barrie Kosky seinen Einstand: alle drei erhaltenen Musikdramen von Claudio Monteverdi an einem einzigen Tag – von morgens 11 bis abends kurz vor 23 Uhr. Doch wer solche Marathon-Strapazen nicht auf sich nehmen will oder kann, für den werden ‚Orpheus‘, Odysseus‘ und ‚Poppea‘ auch als Einzelvorstellungen an verschiedenen Abenden angeboten.
Verbindender Faden, der sich durch diese neue, deutsch gesungene Fassung (in der Duett auf Bett reimt) zieht, ist die Figur des Gottes Amor, der seine Pfeile auf verschiedene Personen abschiesst und dem Zuschauer somit ein recht unterschiedliches Panorama menschlicher Liebe und Leidenschaft zeigt.
„Odysseus“, die zweite Oper der Trilogie (von mir am 23.9.besucht) schildert die Rückkehr des Helden aus Troja in seine Heimat Ithaka und die durchaus problematische Wiederbegegnung mit der ihn – in starrer Treue –  erwartenden Gemahlin Penelope (Italienischer Originaltitel: „Il ritorno d’Ulisse in patria“, in Venedig 1640 uraufgeführt). Die Bühnen- und Kostümbildnerin Katrin Lea Tag hat den Orchestergraben überbauen lassen und mit einem grünen Rasenstück bedeckt. Die Musiker werden dahinter (also auf der eigentlichen Bühne) sowie rechts und links der Wiesen-Spielfläche gruppiert. Die Darsteller, in aktueller Street-Wear und modischen Wollmützen gekleidet, sitzen oft an der Umrandung oder gelegentlich in den Proszeniumslogen und beobachten das laufende Spiel bis zum eigenen Auftritt oder Abgang. Regisseur Barrie Kosky betont vor allem die komischen Figuren und Situationen, stellt sie in den Mittelpunkt des Geschehens, vermeidet dagegen weitgehend hohes Pathos und Kothurn, und lässt so diese Heimkehr eines Kriegs-Helden zum unterhaltsamen Volkstheater werden –  wie die turbulente Szene mit den aufgeblasenen Freiern bei ihrem vergeblichen Wettkampf mit dem Bogen des Odysseus. Gleichzeitig beweist Kosky aber auch eine sensible Regie-Hand in den bewegenden Szenen, in denen Odysseus und Penelope mühsam nach zwanzigjähriger Trennung und ihrer damit verbundenen charakterlichen Änderung wieder zueinander finden.
Auch musikalisch wird auf Populäres gesetzt:  die aus Usbekistan stammende Komponistin Elena Kats-Chernin hat die Monteverdi-Partitur ein bisschen aufgemischt, mit seltenen Instrumenten (Kora oder Ud) oder frischen Rhythmen (Tango für die Freier) ohne das Original zu zerstören. Der Dirigent Andre de Ridder müht sich vor allem um die Koordination der verstreut sitzenden Musiker und der (ihn fast nur über Monitore sehenden) Sänger. Von diesen beeindrucken Ezgi Kutlu als leidgeprüfte und um Fassung ringende Königin Penelope mit samtenen Mezzo und Günter Papendell als blonder Odysseus mit kraftvollem Bariton.
Peter Renz, der – in unterschiedlichem Kostümen – die Trilogie verbindende Amor, darf hier zusätzlich einen köstlichen Vielfrass mit umgeschnallten Bauch und Honnecker-Hütchen mimen – eine Chance die der Erz-Komödiant voll-saftig nutzt.
Vor einiger Zeit hat Rene Jacobs dieses Monteverdi-Werk an der Staatsoper als musikalische Luxus-Ausgabe glanzvoll präsentiert. Dem neuen Intendanten Barrie Kosky ist der passenden Gegenentwurf für die Komische Oper gelungen: unterhaltsam und volkstümlich.

Foto:Iko Freese / berlin-drama.de / Komische Oper/berlin-drama.de   –  Szene aus ‚Orpheus‘ mit Peter Renz als Amor

nächste Vorstellungen des Gesamt-Zyklus am 3.10. und 4.11./ Einzelvorstellungen: Orpheus: 19.10; Odysseus: 20.10; Poppea: 21.10. und 1.11.