Ein Kessel Buntes: ‚Hoffmann’s Erzählungen‘ im Staatstheater Cottbus***

Jacques Offenbach konnte sein letztes Bühnenwerk „Les contes d‘ Hoffmann“ nicht mehr selbst vollenden, es wird deshalb seit seiner Uraufführung (Paris 1881) in unterschiedlichen Fassungen gespielt. In Cottbus hat sich der Intendant und Regisseur Martin Schüler für die heutzutage bevorzugte Einrichtung von Fritz Oeser (Kassel 1978) entschieden, behält aber einige der dort (als nicht von Offenbach stammend) ausgeschiedene Musik-Stücke bei, wie etwa die berühmte ‚Diamanten‘-Arie des Dapertutto.
Schüler erzählt die vier turbulenten, jedoch scheiternden Liebes-Affairen des Dichters E.Th.Hoffmann als effektvollen Bilderbogen und betont dabei vor allem die komischen oder grotesken Momente. In Luthers Weinkeller – mit hübschem Blick auf den Gendarmenmarkt – veranstaltet eine Bande Degen-bewaffneter Studenten im Burschenschaft-Outfit ein grotesk-überschäumendes Besäufnis und eine wilde Saalschlacht; die wie Pippi Langstrumpf rotbezopfte Puppe Olympia untermalt ihre Staccato-Koloraturen mit dem Bügeleisen; der dämonische Arzt Miracel benebelt die sangessüchtige Antonia mit weissen Dämpfen aus einem Kindersarg; der skurile Diener Franz entpuppt sich als leidenschaftlicher Tänzer auf Spitzenschuhen, nur die erotischen Bemühungen und die Ausstattung der Kurtisane Giulietta fanden ihr Vorbild wohl eher in deutschen Sex-Shops als in venezianisch-eleganten Luxus-Bordellen.
Diese hübsch – zwischen Biedermeier-Zylinder und modernem Stöckelschuh – verpackten Regie-Einfälle werden von einem gutgelaunten Sänger-Ensemble flott serviert, bestens unterstützt von Even Christ und dem schwung- und klangvoll musizierenden Philharmonischen Orchester. Darüberhinaus gelingt es dem amerikanischen Chef-Dirigenten, das melancholisch-romantische Pathos dieser „phantastischen Oper“ in den grossen Finali (3.und 5.Akt) voll zu entfalten.
Debra Stanley’s Olympia gleicht mit ihren resoluten Koloraturen einer kecken Barbie-Puppe, Cornelia Zink entfaltet als blonde Antonia lyrische Kraft und Gesine Forberger ist (trotz ihres unvorteilhaften Kostüms) eine souveräne Giulietta. Wortverständlich und mit leiser Ironie verköpert der Bariton Andreas Jäpel den dämonischen Hoffmann-Gegner in vierfacher Gestalt, mit köstlicher Geschmeidigkeit verwandelt sich Hardy Brachmann die skurilen Dienerrollen an. Dagegen tut sich Marlene Lichtenberg als Muse und Freund Niklas mit Offenbachs flinken Couplets sehr schwer, erst in den lyrischen Partien nach der Pause vermag sie ihren Mezzo klangschön einzusetzten.
Und auch Jens Klaus Wilde als Hoffmann gelangt gelegentlich an seine stimmlichen Grenzen, doch überzeugt er insgesamt durch eine ebenso temperamentvolle wie kluge und rollendeckende Gestaltung.
„Hoffmann’s Erzählungen“: eine freundlich-nette Unterhaltung, auch wenn die Cottbusser Leseart mehr an ‚Operette‘ als an ‚Grosse Oper‘ denken lässt.

Foto: Staatstheater Cottbus/Marlies Kross

nächste Vorstellungen:18.Nov./ 16.und 26.Dez.2012