Böse Ironie: ‚Der Kaiser von Atlantis‘ in der Schiller-Werkstatt (der Staatsoper)***

Viktor Ullmann’s kurze Oper „Der Kaiser von Atlantis“ entstand 1943 im Nazi-„Vorzeigelager“ Theresienstadt, in dem der Prager Komponist und Musikschriftsteller mit vielen anderen jüdischen Intellektuellen seit 1942 interniert war. Da der internationalen Öffentlichkeit ein ’normales Lagerleben‘ vorgespielt werden sollte, wurde kulturelle Beschäftigung ermöglicht und teilweise gefordert. Ullmann schrieb bis zu seiner Deportation nach Auschwitz im Oktober 1944 zahlreiche Instrumental- und Vokalwerke, darunter den „Kaiser von Atlantis“, ein böses Parabel-Spiel, das die schrecklichen politischen und menschlichen Umstände dieser Zeit zeigt. Das Werk wurde noch einstudiert, die Premiere jedoch kurzfristig verboten.
Die surreale Story: der Kaiser von Atlantis befiehlt den Krieg aller gegen alle – doch der Tod weigert sich und zerbricht sein Schwert. Niemand kann mehr sterben, weder in den Todeszellen noch auf dem Schlachtfeld. Dafür entdecken ehemalige Feinde ihre Menschlichkeit. Doch das Nicht-Sterben-Können verdammt die Menschen zu ewigem Leiden und zu nicht endenden Qualen. So nimmt der Tod seine Tätigkeit wieder auf, als der Kaiser, nahe dem Wahnsinn, sich bereit erklärt als erster zu sterben. Die Balance zwischen Leben und Tod ist somit wiederhergestellt. (Das Libretto schuf der junge, ebenfalls nach Theresienstadt verschleppte und dann in Auschwitz ermordete Prager Graphiker und Autor Peter Kien).
Viktor Ullmann‘ s musikalische Gestaltung spiegelt die goldene Zeit der Zwanziger Jahre: Spätromantisches a la Mahler, ein bisschen Atonales der Wiener Schule, Jazz und Tanzmusik, prägend aber ist vor allem der Song-Stil von Kurt Weill. Dazu allerlei charakterisierend eingesetzte Zitate von Bach bis zum Deutschlandlied.
Felix Krieger, der Dirigent des Abends, hat diese ebenso kunstvolle wie ansprechende Musik wirkungsvoll zur Geltung gebracht, vom kleinen Orchester aus Musikern der Staatskapelle und ihrer Orchesterakademie flott und klangschön unterstützt.
Die fünf jungen Sänger (teils in Doppelrollen) sind Mitglieder des Opernstudios der Staatsoper und beweisen – noch – unterschiedliche Qualitäts-Grade. Am überzeugendsten in Spiel und musikalischem Ausdruck gestaltet der ungarisch-rumänische Bariton Gyula Orendt die Rolle des Kaisers.
Gespielt wird vor einer bühnenbreiten, leicht gekippten Wand mit mehreren Türen. Hinweise auf die Entsehungsgeschichte in Ausstattung oder Requisiten sind ganz vermieden. Die Figuren (Harlekin, der Tod, der Lautsprecher, der Trommler, der Soldat), streng stilisiert, tragen heutigen Anzug oder zeitlose Uniform. Doch wirkt die Personenführung (Regie: Mascha Pörzgen) recht phantasielos und vermag die Geschichte kaum klar zu erzählen, zumal die noch sehr jungen Sänger den Text nicht deutlich genug artikulieren.
Das Spiel auf der Bühne gewinnt in seiner bieder-braven Abstraktion kaum Leben  -  ganz im Gegensatz zur vielschichtig-bewegenden und auch schwungvollen Musik des bis heute kaum bekannten Viktor Ullmann – einem der vielen Opfer des deutschen Rassenwahns.

Foto:Barbara Braun/Deutsche Staatsoper Berlin

nächste Vorstellungen: 29.; 31.Januar; 02.; 05.; 07.; 09. Februar 2013