Musikalisches Stillleben: ‚Vanitas‘ in der Schiller-Werkstatt (Staatsoper)***

Der Sizilianer Salvatore Sciarrino (geb.1947) gehört zu den bekanntesten, zeitgenössischen Komponisten Italiens. Neben zahlreichen Instrumentalwerken, meist für kleine Besetzungen, hat er auch mehrere Partituren fürs Theater geschrieben, am bekanntesten seine Oper „Luci mie traditrici“ von 1998 (dt.Fassung „Die tödliche Blume“).
Bereits 1981 wurde in der Mailänder Piccola Scala seine Kantate „Vanitas“ in einer szenischen Einrichtung uraufgeführt, ein Zyklus von fünf überwiegend zart-melancholischen Liedern nach barocken Gedichten, vom Komponisten selbst zusammengestellt. Es sind lyrische Metaphern (Rose, Spiegel) für die Eitelkeit der Menschen und die Vergänglichkeit der Welt. Eine nacherzählbare Handlung gibt es nicht. Ein Inszenator hat also weitgehend freie Hand, die abstrakten, minimalistischen Lieder optisch umzusetzen.
Die junge Regisseurin Beate Baron hat die Werkstatt des Schillertheaters leer räumen lassen. An der Längswand eine flache Tribüne mit vier Stuhlreihen fürs Publikum, rechts davor sitzt die koreanische Pianistin Jenny Kim am Flügel, daneben Gregor Fuhrmann am Cello. Nach einem kurzen Vorspiel in flattrigen Obertönen wird eine der Eingangstüren aufgerissen und in gleissendem Neon-Licht erscheint die britische Sängerin Rowan Heller, Mitglied des Nachwuchsstudios der Staatsoper: weisses Hemd, schwarze Hose, High Heels, das blonde Haar gescheitelt und zu Schecken über den Ohren geflochten, das Gesicht stark geschminkt, fast eine Clownsmaske andeutend. Am Ende des Liedes verschwindet sie wieder, beim folgenden erscheint sie in der nächsten Tür usw.  Ein altes Schauspieler-Paar (Friederike Frerichs/ Hans Hirschmüller) tritt in glitzender Abendrobe auf, bewundert stumm zunächst einen leeren, goldenen Bilderrahmen, dann ausdauernd seine Video-Porträts in Alltagskleidung auf zwei herabgelassenen, grossen Leinwänden.
Knapp eine Stunde dauern die fünf miteinander verbundenen Lieder, virtuose Gesangsstücke für einen Mezzosopran, vom Klavier mit teils sanften, teils kraftvollen Klangkaskaden unterlegt, während das Cello die Gesanglinien gleichsam als Echo fortspinnt. Sciarrinos delikate Musik öffnet innere Welten, zwischen Traum und Realität, zwischen Kontemplation und mystischer Versenkung, zwischen raffinierten Spiegelungen und schwebenden Andeutungen. Am Schluss: eine schier endloses Glissando des Cellos, immer leiser werdend bis zum Verstummen.
Musikalisch ist der kurze Abend dank der hervorragenden Interpreten überzeugend und eindrucksvoll, als szenische Installation wirkt er dagegen beliebig und vermag die klingende Welt von Sciarrinos Welt- und Vanitas-Betrachtung kaum sichtbar zu machen.

Foto: Thomas Bartilla/Staatsoper Berlin

nächste Vorstellungen:21./26./28.März/ 2./3.April 2013