Grelle Muppet-Show: ‚Peter Pan‘ im Berliner Ensemble***

James Matthew Barrie (1860-1937) war seinerzeit ein vielgespielter englicher Autor, berühmt aber macht ihn bis heute die Figur jenes Jungen, der nicht erwachsen werden wollte: Peter Pan. 1904 betrat Peter erstmals eine Londoner Bühne und seitdem verzaubern er und Wendy, die Fee Tinkerbell und Kapitän Hook in vielerlei Kostümen Kinder wie Erwachsene in aller Welt: als Bücher-, als Trick- und Spielfilm-, oder als Musical-Helden.
Jetzt hat der Texaner Robert Wilson am „Berliner Ensemble“ die phantastisch-poetischen Abenteuer der viktorianischen Kinderschar zu einer seiner typischen Grotesk-Revuen stilisiert. Grell geschminkte Gesichter, hoch toupierte Perücken, dunkel-glänzende Kostüme vor ständig farbig wechselnden Bühnen-Horizonten. Es gibt viel Musik, mal sanft ätherisch zwitschernd, mal steel-trommelnd rockend. Gesprochen und gesungen wird oft im englichen Original, gelegentlich in der (nicht immer deutlich artikulierten) deutschen Übersetzung von Erich Kästner, dazu wird viel gehüpft , gesprungen und manchmal auch getanzt. Und am Ende, wenn die Nachthemden-Kinder ins Heim ihrer Augen rollenden Eltern zurückgekehrt sind, entschweben Peter (schmal und aufgeschossen: Sabin Tambrea) und Tinkerbell (exzentrisch zappelnd unter blonder Frisur: Christopher Nell) in die blauen Lüfte von Nimmerland.
Immer wieder verblüfft Wilson durch raffinierte Beleuchtungs-Effekte, zeigt surreal-komische Schau-Kämpfe zwischen dem mit Hand-Haken bewehrten Kapitän Hook und seiner schwarzen Bodygard, oder er lässt die drollig-dicke Tigerlilly kräftig rocken. Doch so richtig in Schwung kommt die märchenhafte Parabel nicht, zieht sich durch Wiederholungen oft unnötig in die Länge und verheddert sich in dramaturgischen Schwächen, wenn Bühnenumbauten durch ständiges Hin-und Her-Rennen vor dem herabgelassenen Vorhang überbrückt werden müssen. Auch die Musik der beiden New Yorkerinnen „CocoRosie“ zündet nur selten, untermalt zwar popig-gefällig, besitzt  aber wenig eigenen Stil.  Die Schauspieler (darunter Anna Graenzer als Wendy) vermögen sich kaum zu profilieren, agieren eher wie  aufgezogene Marionetten am Faden ihres Regisseurs – optisch durchaus effektvoll, insgesamt aber (bei fast drei Stunden Spieldauer) langeweilend.
Wer noch nie eine Inszenierung von Robert Wilson erlebt hat, der wird sicherlich staunen, wer jedoch seinen Stil kennt, den dürfte dieser grotesk verfremdete Peter Pan kaum verzaubern.

Foto: Lucie Jarisch/Berliner Ensemble

Diese Kritik wurde geschrieben nach der 2.Voraufführung am 13.4.2013; die Premiere fand am 17.4.2013 statt.
Die nächsten Vorstellungen: 18./19./21./22.April/11./12.Mai/01./02.Juni 2013