Falscher Hase: ‚Rigoletto‘ in der Deutschen Oper**

Die Gedanken und Überlegungen, die der renommierte Schauspiel-Regisseur Jan Bosse zu Giuseppe Verdis populärer Oper „Rigoletto“ (UA: Venedig, 1851) im Programmheft der Deutschen Oper äussert, klingen klug und einsichtig. Was er jedoch daraus auf der Szene macht, ist hahnebüchen und kaum nachvollziehbar. Das Bühnenbild ist eine verkleinerte Spiegelung des Zuschauerraums mit Holztäfelung, Rang und den senfgelben Sitzreihen. Rigoletto stolpert als gold-glitzender Osterhase herein, Gilda verpuppt sich in weissen Gaze-Schleiern, der mit Goldkettchen behängte Herzog wechselt mehrmals sein Outfit von schwarzer Lederhose zu pink-grellen Anzug. Der Chor, d.h. die ‚Zuschauer‘ auf der Bühne – teilweise in üppigen gold-glitzernden Röcken – macht es sich auf den Sitzplätzen bequem, bevor im letzen Bild, Wände und Stuhlreihen von einer Heerschar Bühnenarbeitern erst auseinander genommen werden und anschiessend in der Versenkung verschwinden. In dem nun leeren, kalt ausgeleuchtenen Raum findet Rigoletto – jetzt im dunklen Zweireiher – seine halbtote Tochter im schwarzen Sack: das einsame Ende einer selbstverschuldeten Tragödie.
Doch diese Bild-Metaphern der kahlen Bühne oder des gespiegelten Zuschauerraums („Sieh her, liebes Publikum, Ihr seid gemeint!“) sind altbacken und ausgelaugt. Und szenisch untauglich: Sänger und Chor quälen sich – von jeder Bewegungs-Regie verschont – mit routinierten Gesten durch den Rang oder vor den gelben Zuschauerreihen auf der Bühne – ein ziemlich albernes und sinnloses Szenario.
Das Glück im Unglück: Verdis geniale Musik und ein junger Dirigent, der Spanier Pablo Heras-Casado, der sie mit Verve aufs Dramatischste entfaltet, ohne Pathos, ohne Gefühls-Kitsch. Das Orchester folgt ihm mit aufmerksamer Flexibilität, der Chor, vor allem die stark geforderten Herren, agiert klangschön, vielleicht eine Spur zu wuchtig. Von den Sängern überzeugen vor allem die beiden Damen: Lucy Crowe als Gilda mit brillant-klarer Koloratur und schöner, satter Mittellage sowie Clémentine Margaine, hier als (zur Doppelrolle aufgewertete) Amme Giovanna und als durch einen samtenem Mezzo verführerische Maddalena. Andrzej Dobber – ein kraftvoller Verdi-Bariton – spielt den Hasen-Rigoletto und verfluchten Vater mit routinierter Überlegenheit, während der kurzfristig als Herzog eingesprungene Eric Fennell eine Nummer zu schmal bleibt: für das grosse Haus der Deutsche Oper fehlen ihm Strahlkraft und Attacke. Die Nebenrollen sind dagegen aus dem Haus- eigenen Ensemble überzeugend besetzt.
Fazit des Abends: Verdis grandiose Theater-Musik überstrahlt auch die verschrobenste Inszenierung. Doch darf dies kein Pladoyer sein für konzertante Aufführungen – denn nur im Spiel auf der Bühne entfaltet die Oper ihre Grösse und Lebendigkeit.

Foto: Bettina Stoess/ Deutsche Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 28./30.April 2013