Mein Berlinale-Journal 2014


Foto: c.Berlinale

LA VOIX DE L’ENNEMIE (Rachid Bouchareb) Englisch/Spanisch***
Neuverfilmung eines alten französischen Stoffes (1973), verlegt in eine texanische Kleinstadt an der heutigen Grenze zwischen Mexiko und den USA. Ein farbiger Mörder (Forest Whitaker) wird nach 18 Jahren Gefängnis entlassen, eine taffe Bewährungshelferin (Brenda Blethyn) kümmert sich um ihn, doch der verknöcherte Sheriff (Harvey Keitel) sieht in ihm nur den ewigen Verbrecher und ein alter Kumpel (Luis Guzman) versucht ihn erneut zu zwielichtigen Geschäften zu überreden. Überall werden dem besserungswilligen Mörder, der sich in der Haft zum Islam bekehrt hat, Fallen gestellt. Das Ende ist vorhersehbar. Trotz hervorragender Schauspieler, betörend schönen Panorama-Aufnahmen der weiten, kargen Landschaft – ein allzu konstruiertes, etwas weitschweifig erzähltes Drama über soziale Wiedereingliederung und patriotische Selbstgerechtigkeit.

JACK (Edward Berger) Deutsch ***
Die Odysee zweier Kinder durch Berlin auf der Suche nach ihrer Mutter. Jack ist 10, sein kleiner Bruder Manuel im Vorschulalter. Die Mutter, alleinerziehend, geht abends häufig aus und eines Sommertages klopfen die beiden Kinder vergebens an die Wohnungstür: die Mutter ist weg. Durch Parks und Strassen wandern die Kinder, lassen sich von Bekannten immer neue Orte, wo sie ihre Mutter finden könnten, benennen – aber erst nach den drei (sommerlichen) Tagen eines Wochenendes findet die kleine Familie in der Wohnung wieder zusammen. Und jetzt ist Jack durch diese Erfahrung innerlich bereit, ins – vom Sozialamt angewiesene – Heim freiwillig zurückzugehen. Der Film des jungen Edward Berger, der ganz aus dem Blickwinkel Jacks gedreht ist, überzeugt besonders durch die Emphatie für die Kinder und überzeugt durch seine feinfühlige Personenführung. Auch in der Charakterisierung der (durchaus symphatischen) Mutter und aller  – oft nur kurz auftauchenden – Nebenfiguren werden  die üblichen Klischee weitgehend vermieden.   Filmisch eher solide, aber als aktuelles, psychisch-soziales Porträt bewegend.

DIE GELIEBTEN SCHWESTERN (Dominik Graf) Deutsch**
Weimaer Klassik aus der kinoträchtigen Perspektive: im Bett mit Schiller. Dominik Graf erzählt die historisch nur vage belegte „Ménage á trois“ zwischen dem Dichter und den Schwestern Caroline und Charlotte von Lengefeld, ihren heiteren Beginn und das betrübliche Ende, als die beiden Schwestern sich aus Eifersucht zerstritten. Weimaer Klassik ohne hisstorischen Staub sollte es werden, aber das gelingt nur bedingt. Dramaturgisch schwerfällig wird drei (!) Stunden lang eine historische LoveStory bebildert : trotz eindrucksvoller Landschaftsbilder, edlen Räumen und eleganten Kostümen, und ein paar klassischen Zitaten – mehr als eine TV-taugliche SoapOpera bleibt nicht übrig, aus deren darstellerischem Ensemble sich allenfalls das Temperament der Hannah Herzsprung als verheiratete, ältere Schwester einprägt.

THE MONUMENTS MEN (George Clooney) Englisch – ausser Konkurrenz -***
US-Soldaten versuchen gegen Ende des zweiten Weltkrieges, in Europa geraubte und verschleppte  Kunstwerke aufzuspüren, sie zu sichern und den Eigentümern zurückzugeben, bzw. wenn diese nicht zu finden sind, den entsprechenden Staaten. Der Genter Altar spielt dabei eine wichtige Rolle oder ein Michelangelo-Madonna aus Brügge. George Clooney hat ein etwas hölzernes Drehbuch daraus gebastelt und im üblichen Stil Hollywoods ins Bild gesetzt. In Paris hat die tapfere Französin und innere Widerstandskämpferin Cate Blachett vom Museum Jeu de Paumes alle von Goering abtransportierten Gemälde fein säuberlich verzeichnet, samt deren deutschem Bestimmungsort – und dann übergibt sie es einem der „Monuments Men“, dem für sie so attrakaktiven Matt Damon. In Salzbergwerken verbrennen die abziehenden Nazis viele Kunstwerke, aber auf Neuenschwanstein und schliesslich dann in Altaussee gräbt der smarte Offizier Clooney dann doch noch den gesuchten Altar und die Madonna aus – kurz bevor die anrückenden Russen einmarschieren. Komische und tragische Szenen im bunten Kriegs-Schauplatz-Wechsel, die Dialoge  mal schlagfertig, mal Pathos-erfüllt, und die Musik rauscht mächtig. Ob sich für diese mittelmässige Kriegs-Plotte wirklich ein grosses Publikum interessiert? Ein Dokumentarfilm hätte das bisher kaum bekannte Thema sicherlich spannender und zutreffender würdigen können. 

KREUZWEG (Dietrich Brüggemenn) Deutsch***
Maria ist 14, lebt in einer süddeutschen Kleinstadt, und gehört einer alt-katholischen Kirchengemeinde an. Unter der strengen Obhut und Indoktrination von Mutter und Pfarrer hat sie nur ein Ziel: ihr Leben Gott zu opfern, um den kleinen Bruder von seiner Sprachlosigkeit (die kein Arzt erklären kann) zu heilen. Einen Mitschüler, der sie zum gemeinsamen Chorsingen einlädt, weisst sie zurück; in der Sportstunde protestiert sie gegen (dem Lauftraining unterlegte) Rockmusik als „satanische“, im Krankenhaus – wegen Unterernährung eingewiesen – verweigert sie jede Speise. In der Familie dominiert die resolute Mutter, der Vater und die kleineren Geschwister schweigen demütig. In vierzehn Szenen – parallel zu den vierzehn Kreuzwegstationen – wird Marias Schicksal vorgeführt, jeweils in einer einzigen Bildeinstellung: vom Firmunterricht, Familienausflug, Schulbesuch und Beichte bis zum Tod im Krankenhaus und dem Schliessen des Grabes nach der Beerdigung. Streng und radikal in Inhalt wie Form stellt der Film Fragen nach Glaube und Überzeugung, nach religiösem Wahn und Intoleranz, Erziehung und Familie. Überzeugend Lea von Acken als Maria: ein feines, blasses Gesicht, das von Innen leuchtet, alles Andere  bleibt  holzschnittartig.

NYMPHOMANIAC, VOLUME ONE  (Lars von Trier) Englisch – ausser Konkurrenz -****
Ein älterer Mann (Stellan Skarsgard) findet eine auf der Strasse liegende, junge Frau, offensichtlich leicht verletzt (Charlotte Gainsbourg). Er bietet ihr Unterkunft und Essen an, nach kurzer Erholung sagt sie, dass sie Joe heisse und Nymphomanin sei, dann – von ihm ermuntert – erzählt sie aus ihrem Leben. In diesem ersten, zweieinhalbstündigen Teil des Films sind es fünf Kapitel oder Episoden aus ihrer Kindheit und frühen Jugend (Stacy Martin als junge Joe). Wie sie mit einer Freundin im Zug Männer aufreisst, wie sie sich in ihren Bürochef Jerome (Shia LaBeouf) verliebt, wie die Ehefrau eines Geliebten eine groteske Eifersuchts-Show abzieht (glänzend: Uma Thurman), wie ihr Vater (Christian Slater) im grauenvollen Schmerz-Delirium stirbt und wie sie Jerome nach längerer Zeit wiedertrifft. Verknünft  werden diese (echten oder erfundenen?) Geschichten mit allerlei essayistischen Bild-Sequenzen, sei es über die Kunst des Angelns, Edgar Allen Poe oder die Polyphonie von Johann Sebastian Bach. Ein komplex erdachter und rasant geschnittener filmischer  Mix aus Buchstaben, Zahlen, unterschiedlichsten Animationen, Musik- und Toneinblendungen, Doppel- oder Mehrfach-Bilder, mal in Farbe, mal in Schwarz-Weiss, und immer wieder dazwischen Sex-Szenen ohne jedes Tabu. Volume 1: ein wilder, erotischer Bildungsroman, gelegentlich auch allzu pretenziös und bedeutungsüberladen – Fortzeung folgt.

AIMER, BOIRE ET CHANTER (Alain Resnais) Französisch****
Zwei befreundete Paare im britischen Yorkshire erfahren, dass ein dritter Freund nur noch einige Monate zu leben hat (Krebs!). Sozusagen als letztes gemeinsames Unternehmen studieren diese etwas älteren Freunde ein Theaterstück ein. Dabei erinnern sich alle an ihre Jugendzeit, und an die vergangenen und heutigen Gefühle und (Liebes-)Beziehungen, was zu allerlei turbulenten Situationen, komischen Verwirrungen und erregten Emotionen führt. Alain Resnais‘ neuer Film beruht wieder einmal auf einer der boulevardesken Komödien des britischen Autors Alan Ayckbourn („Life of Riley“) und wird mit viel ironischer Distanz als Theater im Film inszeniert. Vor in kräftigen Farben gemalten Kulissen agiert ein bestens aufgelegtes, sechsköpfiges Darsteller-Ensemble, das seinem „Affen, vollen Zucker gibt“ – angeführt auch diemal von Resnais temperamentvoller Ehefrau Sabine Azéma. Köstliche Unterhaltung für Filmfans, die auch das (komödiantische) Theater lieben.

TO MIKRO PSARI (Yannis Economides) Griechisch***
Ein älterer Auftragskiller in einem winterlichen, kalten Griechenland. Stavros, so sein Name, zerreibt sich zwischen mehreren Gangster-Familien, die alle um seine Mitarbeit werben. Nur ein mal zeigt er moralische Bedenken: als sein Nachbar seine noch kindliche Tochter Katharina gegen viel Geld zur Prostitution verschachern will – da erschiesst er die Eltern. Der griechische Regisseur Yannis Economides gliedert seine böse Gangster-Story in streng formale Bildfolgen, zeigt dabei eine moralisch durch und durch verdorbene Gesellschaft in einer heruntergekommenen Umgebung. Ein deprimierender Blick – eindrucksvoll, wenn auch etwas zu lang, ins Bild gesetzt : Giechenland heute ?

ZWISCHEN WELTEN (Feo Aladag) Deutsch***
Geschildert wird der Alltag deutscher Soldaten in Afghanisten. Im Mittelpunkt der Kommandeur Jasper, der zusammen mit Einheimischen ein Dorf vor Taliban-Angriffen schützen soll. Verbunden mit der privaten Geschichte seines noch jugendlichen Dolmetschers, eines Afghanen, der – wie auch sein Vater zuvor -  zwischen die Fronten gerät und als Verräter brutal verfolgt wird. Kommandeur Jasper schwankt – emotional aufgeschaukelt – zwischen Bundesgewehr-Gehorsam und menschlicher Hilfsbereitschaft. Der vor grandiosen Landschafts-Panoramen gedrehte Film der Österreicherin Feo Aldag besticht durch seine formale Raffinesse, befremdet aber durch das allzu konstruierte Drehbuch, das brav all die Probleme in einzelne Bilder-Szenen umsetzt, die seit Monaten in allen Zeitungs- oder TV-Berichten über die Situation in Afghanistan diskutiert werden. Emotional eindrücklich, aber als Film zu bieder.

PRAIA DO FUTURO (Karim Ainouz) Portugiesisch/Deutsch**
Ein Deutscher ertrinkt an einem Strande im Norden Brasiliens, sein geretteter Freund beginnt mit einem Retteungsschwimmer eine Sex-Affaire. Der Brasilianer folgt dem Deutschen nach Berlin, wo er trotz anfänglichen Schwierigkeiten sich niederlässt. Nach Jahren kommt dessen kleiner – inzwischen erwachsener – Bruder ebenfalls nach Berlin, stellt ihn zur Rede, warum er seine Familie einst so verlassen hat…  Effektvoll fotografiertes Schwulen-Melodram – der strahlende Himmel und das blaue Meer in Brasilien – das winterlich graue, aber neon-glitzernde Berlin – doch die Story bleibt fade, hat keine dramatische Kraft – und verebbt im ständigen sich Aus- und Anziehen der männlichen Darsteller.

BAI RI YAN HUO  BlackCoal, Thin Ice (Diao Yinan) Mandarin***
In einer nordchinesischen Stadt werden Leichenteile gefunden, doch die Ermittlungen der Polizei führen zu keinem Ergebnis. 5 Jahre später findet der ehemals mit dem Fall betraute Polizist, der aber inzwischen den Dienst verlassen musste (u.a.wegen Alkoholproblemen), eine Spur, die zu einer geheimnisvollen, jungen Frau in einem Reinigungsgeschäft führt. Mit allerlei Tricks und Finessen gelingt es diesem Cop a.D. die Lösung der rätselhaften Männer-Morde zu finden. Der chinesische Regisseur Diao Yinan entwickelt seinen Krimi nach den Vorbildern des französischen und amerikanischen „film noir“. Schnee bedeckt die Stadt und ihre Umgebung, überwiegend spielen die Szenen bei Nacht : auf Strassen, in Kneipen, Kinos oder Bars – einmal sogar auf der städtischen Eislaufbahn zu Walzer-Klängen von Strauss -  und immer von (dramaturgisch eingesetztem) grellem Neon-Grün oder Rot beleuchtet. Am Ende des nicht sonderlich spannenden, aber durchaus amüsanten Krimis dann ein üppiges, alle Personen irritierendes Tages-Feuerwerk, sinnlos in alle Richtungen von einem Hochhaus abgeschossen – wohl auch eine Anspielung auf den chinesischen Originaltitel.

WU REN QU No Man’s Land (Ning Hao) Mandarin***
Chinesischer „Western“ in der endlosen Weite der Wüste Gobi. Ein smarter junger Rechtsanwalt aus der Stadt gerät in einen Alptraum: zwischen brutalen Falkenjägern, rauhen LKW-Überlandfahrern und heimtückischen Tankstellenbesitzern. Hier kämpft jeder gegen jeden mit Messer, Gewehr oder Brechstange. Massenhafte Auto-Crashs in der braun-roten, staubigen Landschaft mit ihren exotischen Bergformationen und eine junge Frau, die am Ende als einzige überlebt. Mit dröhnender Musik unterlegt, ein chinesischer Film, der den Blockbusters aus Hollywood Paroli bieten will – und dies, was den film-technischen Aufwand und die Rafinesse der Bilder betrifft, durchaus vermag. Doch die endlosen Wiedholungen und Variationen der Action-Sequenzen (jeder der wüsten Kerle wird mindestens zweimal umgebracht, bevor er wieder blutüberströmt auftaucht!) wirken auf die Dauer von 117 Minuten ermüdend.

BOYHOOD (Richard Linklater) Englisch*****
Zu Beginn des Films ist Mason ein kleiner Junge von 6 Jahren, wohnhaft mit der etwas älteren Schwester und seiner Mutter in einem der typisch amerikanischen Vorort-Häuschen der Mittelschicht, hier zunächst in Houston/Texas, später in Austin. Der Vater ist ausgezogen und holt seine beiden Kinder lediglich am Wochenende oder in den Sommerferien zu gemeinsamen Ausflügen in Vergnügungs-Center oder in Parks der näheren Umgebung ab. Am Ende – nach fast drei Stunden – ist Manson 18, hat die High-School erfolgreich abgeschlossen und zieht weg in ein fernes College. Die Mutter bleibt allein zurück, da auch die Schwester bereits ausgezogen ist. Dazwischen: zwei weitere Heiraten der Mutter und jeweilige Scheidungen, neue Wohnungen, neue Schulen, neue Freunde. Beständig bleibt die Beziehung zum Vater, der inzwischen sich vom jugendlichen Musik-Freak zum angepassten Versicherungs-Angstellten mauserte und dies auch selbst-ironisch kommentiert, aber auch er hat wieder geheiratet, in eine tief religiöse Familie, was zur Folge hat, dass Mason von diesen neuen (Stief-)Grosseltern bei der Familienfeier zu seinem 15.Geburtstag seine erste Bibel als Geschenk erhält. Kurz: es ist die Geschichte einer amerikanischen Durchschnittsfamilie, mit komischen und traurigen Momenten, durchaus auch mit dramatischen, aber frei von extremen, aussergewöhnlichen Ereignissen. Der Clou dieses Films von Richard Linklater besteht darin, dass er in einem Zeitraum von 12 Jahren (2002-2014) gedreht wurde, in jedem zeitlichen Teil-Abschnitt gab es nur wenige Drehtage.  Die Darsteller bleiben dabei immer die Gleichen und altern sozusagen mit dem Film, was natürlich besonders bei dem Schauspieler des Mason, Ellar Colltrane, verblüffend augenscheinlich wird: von kleinen, kindlich-verspielten Jungen über den unsicheren Teenager  zum jungen, langsam reifenden Erwachsenen. Der Film gewinnt dadurch eine enorme Unmittelbarkeit und eine (in einem Spielfilm bisher so nicht gekannte) menschliche Lebendigkeit, die in ihrer alltäglichen Normalität – ohne jede Aufdringlichkeit – die Grundbegriffe unserer (westlichen) Zivilisation und ihrer Werte allgemeingültig durchscheinen lässt. Ein berührender, bewegender Film, ebenso grandios wie unterhaltsam.

LA BELLE ET LA BÊTE (Christophe Gans) Französisch*
Neuverfilmung des französischen Märchens von der Schönen, die sich für ihren Vater opfert, indem sie sich auf einem verwunschenen Schloss dem dort herrschenden Biest ausliefert. Am Ende aber für dieses Biest Mitleid empfindet und ihm dadurch seine menschliche Gestalt zurückgibt. Der Regisseur Christophe Gans inszeniert mit einigen prominenten Stars (Vincent Cassel, Leá Seydoux, André Dusollier) und einer aufwendigen Digital-Technik einen pompöses Computer-Spiel:  geschmacklos und verkitscht, frei von Ironie und fern aller (Märchen-)Poesie.

CHIISAI OUCHI The Little House (Yoji Yamada) Japanisch***
Ein junges Mädchen vom Lande, namens Taki, kommt 1935 nach Tokio. Als Dienstmädchen in das am Rande der Stadt neu erbaute Haus eines Abteilungsleiters einer Spielzeugfabrik. Die ganz in der japanischen Tradition erzogene Taki beobachtet, wie die junge Herrin des Hauses sich in einen (künstlerisch arbeitenden) Kollegen ihre Mannes verliebt. Als dieser 1943 zum Krieg eingezogen wird und die Frau des Hauses schriftlich ein letztes Treffen mit dem Geliebten arrangiert, unterschlägt Taki den Brief – eine Tat die ihr weiteres Leben (das kleine Haus wird 1945 durch Bomben zerstört und sie geht in ihre Heimat zurück) psychisch schwer belastet. Der 82-jährige Altmeister Yoji Yamada hat mit grosser Sorgfalt und einem feinen Gespür die bürgerliche Welt des „alten“ Japan wiederbelebt und geschickt durch eine Rahmenhandlung (der junge Gross-Neffe Takis findet und kommentiert ihr Tagebuch) mit der modernen, heutigen Gefühls- und Gedankenwelt konfrontiert. Berückend und eindrucksvoll ist der Film besonders durch die sorg- und vielfältig eingefügten bildlichen und gedanklichen Details, die auf Politik wie Kultur des traditionellen wie zeitgenössischen Japans verweisen.