Bewegend: ‚Philomena‘ von Stephen Frears****

Die junge Philomena Lee wird ungewollt schwanger. Ihr Vater steckt sie in ein irisches, katholisches Kloster, wo sie einen Sohn zur Welt bringt. Doch als Strafe muss sie – wie viele andere „gefallene“ Mädchen – in der Kloster-Wäscherei unter schändlichen Bedingungen schuften, darf ihr Kind Anthony nur einmal in der Woche sehen. Die Nonnen jedoch  vermitteln diese unehelichen Kinder gegen entsprechende Spenden an reiche Ausländer zur Adoption. Im Alter von drei Jahren wird auch Anthony abgegeben. Aus Scham verschweigt Philomena diesen Vorfall und dieses Kind ihr Leben lang. Erst 50 Jahre später, an ihrem 70 Geburtstag eröffnet sie ihrer erwachsenen Tochter Jane den  verheimlichten Sohn (und Halb-Bruder)  und ihre Sehnsucht, nach Anthonys zu forschen. Die Tochter bittet daraufhin den Journalisten Martin Sixsmith, ihrer Mutter bei der Suche nach dem verschollenen Kind zu helfen. Sixsmith, Ex-Star-Reporter der BBC und gerade aus dem Berater-Team von Tony Blair wegen einer ungeschickten Rede-Formulierung gefeuert, nimmt das Angebot an, wenn auch etwas widerwillig, aber als ehemaliger Journalist wittert er in dem Fall auch Material für kirchen-kritische Recherchen. Gemeinsam mit der nicht sehr gebildeten, frommen, doch durchaus schlagfertigen Philomena begibt er sich auf eine Reise, die von England nach Irland und bis Amerika führt und die mit vielen unerwarteten und schmerzlichen Konfrontationen gespickt ist. Wobei die unterschiedlichen, diametralen Charaktere der einfachen, aber lebensklugen alten Frau und des weltgewandten, intellektuell-zynischen Journalisten eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Nur soviel sei verraten: am Ende, nachdem sich das Schicksal des Sohnes in  langsamen Schritten enthüllt hat, treffen sich alle wieder am Ausgangsort der Suche,
im irischen Kloster…
Die Geschichte basiert auf einem als Buch veröffentlichen Tatsachen-Bericht. Regisseur Stephen Frears („Mein wunderbarer Waschsalon“, „The Queen“) hat daraus eine zwar konventionelle, aber anrührenden Filmerzählung gemacht, wobei sein Hauptmerk weniger der Kritik an der Katholischen Kirche, ihrer starren Dogmatik und dem physischen wie psychischen Missbrauch der ihr Anvertrauten gilt (die dennoch scharf und klar ausfällt), als dem subtilen, vielschichtigen Porträt der Philomena Lee. In Judi Densch findet diese naive, im Glauben tief verwurzelte Frau, die andererseits eine erfrischend kluge Umsicht und herzliche Menschlichkeit beweist, die ideale Verkörperung. Köstlich, wenn sie die Storys der von ihr geliebten Kitsch-Romane erzählt oder mit dem mexikanischen Buffet-Koch im Nobelhotel plappert, eindrucksvoll in stummem Leid, wenn sie mit bitteren Wahrheiten konfrontiert wird, bewunderswert, wie sie aus tiefer Verzweiflung heraus dennoch den Mut zum entscheidenden Handeln aufbringt. Der britische Komiker Steve Coogan, der auch am kinogerecht polierten Drehbuch mitgearbeitet hat, spielt mit Ironie, britischem Unterstatement und immer wieder aufbrausendem Temperament den intellektuellen Gegenpart, den zunächst herablassend-zynischen und politisch engagierten, später auch  Philomenas Aufrichtigkeit schätzender Journalisten Martin Sixsmith, der am Ende dann auch akzeptieren kann, dass Philomena trotz aller unerfreulichen Vorfälle an ihrem hergebrachten, katholischen  Glauben festhält.
Stephen Frears erzählt diese Geschichte auf Grund seiner langjährigen Film-Erfahrung ebenso raffiniert wie geschickt:  als spannenden Thriller, als optisch opulentes Road-Movie sowie als anrührende, aber nie sentimentale „Human-Interest-Story“ – traurig und komisch, turbulent-überraschend, ironisch-distanziert und – vor allem – liebenswert menschlich. Bemerkenswert.

Foto/Poster: Universum Film GmbH

zu sehen: CineStar Sony Center (OV); Babylon Kreuzberg (OmU); Delphi (OmU); HackescheHöfe Kino (OmU); Filmtheater am Friedrichshain (OmU); Blauer Stern Pankow; Capitol Dahlem; Cinema Paris; CinemaxX Potsdamer Platz; Titania-Palast Steglitz; Cubix Alexanderplatz; International; Kino in der Kulturbrauerei; New Yorck; Toni Weissensee