Computer-Emotionen: ‚Her‘ von Spike Jonze***

Los Angeles im Jahr 2025. Theodore Twombly, ein Durchschnitts-Bürger mittleren Alters, arbeitet für eine Agentur, die „handgeschriebene, persönliche Briefe“ für entsprechende Kunden herstellt. Privat lebt er in Scheidung – und versucht seine innere Leere und Einsamkeit mit allerlei computeranimierten Spielen auf der heimischen Super-Screen zu überwinden. Bis er ein neues Betriebssystem aufschaltet, das ihm mittels eines (kabellosen) Knopfes im Ohr die sexy Stimme von „Samantha“ vermittelt – einer virtuellen Gefährtin und Alles-Versteherin – intensive, nächtliche Sex-Erlebnisse eingeschlossen. Doch der schöne Sience-Fiction-Traum geht nicht in Erfüllung, zumal das weibliche Betriebssytem gleichzeitig einige Tausend andere Kunden „bedienen“ muss. Theodore bleibt so am Ende nur die Aussicht auf intensivere Kontakte zur – von ihrem Partner im Stich gelassenen – Jugendfreundin und Nachbarin Amy – und das in der Luxuswohnung eines Wolkenkratzers mit Aussicht aufs Panorama der betörend glitzernden Mega-City.
Regisseur und Autor Spike Jonze hat für das (Original-)Drehbuch dieser melodramatischen Liebes-Romanze in nicht allzu ferner Zukunft den diesjährigen Oscar erhalten – sicherlich zu Recht. Die Geschichte balanciert raffiniert zwischen den echten und virtuellen Gefühlen ihrer Protagonisten, versucht – ohne moralische Benotung – zu ergründen, was menschliche von künstlicher Persönlichkeit unterscheidet, welchen Einfluss die Cyber-Wirklichkeit auf althergebrachte, menschliche Verhaltensweisen ausüben kann.
Filmisch wird daraus jedoch ein ungleiches Kammerspiel, das das Gesicht des Schauspielers Joaquin Phoenix in Dauer-Großaufnahme zeigt, auf dem alle Gefühlsregungen, die das Drehbuch fordert, sich abspielen müssen, und zwar ausschliesslich, während sein Gegenüber, das Betriebssytem Samantha, lediglich durch die Stimme von (im Original) Scarlett Johannsson sinnliche Präsenz bekommt. Alle anderen Darsteller sind nur in wenigen, eingeblendeten Erinnerungs-Sequenzen (Rooney Mara als unter Erfolgsdruck stehende Ex-Ehefrau) oder in kurzen, ergänzenden Szenen zu sehen (Amy Adams als die befreundetete, aber gefühlsunsichere Wohnungs-Nachbarin).
Von grossem Reiz ist die Kamera (Hoyte van Hoytema), der das Kunststück gelingt, aus den Häuserschluchten von Shanghai und Los Angeles eine zwar futuristische, aber keineswegs fremdartige Grossstadt-Landschaft zu collagieren.
Doch so effektvoll die Photographie, so überzeugend Joaquin Phoenix als liebe-bedürftiger Normalo, und so trefflich die Ausgangs-Story in ihrem ironisch-skeptischen Blick auf eine nahe Zukunft ist – über die Gesamtlänge von mehr als zwei Stunden Spieldauer wirkt der Film doch sehr ermüdend. Was hochintelligent und intellektuell durchaus reizvoll begann, versandet allzu rasch in endlosen (küchen-philosophischen) Plapper-Dialogen und szenischer Langeweile. Fazit: eine pfiffige Idee allein macht noch keinen spannenden Film.

Foto/Poster: Warner Broth. GmbH

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