Eine Dame in Rot: ‚ Die Sache Makropulos‘ in der Deutschen Oper***

Emilia Marty ist eine schöne und berühmte Opern-Sängerin, doch sie hat ein seltsames Geheimnis: dank eines Elixirs, das einer ihrer Vorfahren für den Habsburger Kaiserhof entwickelte, ist sie über 300 Jahre alt, hat viele Liebhaber und auch Kinder gehabt, doch jetzt (in den 1920er Jahren) naht ihr Ende. Verzweifelt sucht sie – um ihr Leben nochmals zu verlängern – nach dem Rezept des Wundermittels, das sie vor langer Zeit einem ihrer Geliebten überließ. Durch Zufall wird sie in einer Anwaltskanzlei Zeugin eines Erbschaftsstreits und findet dadurch den heutigen Besitzer des Zauberformel-Dekrets, der sogenannten „Sache Makropulos“. Der Preis dafür ist eine Liebesnacht. Doch als sie das Wundermittel in den Händen hält, wird ihr plötzlich klar, was diese Lebensverlängerung bedeutet: ein ewiger Kreislauf dessen, was sie schon so oft erlebt hat. Sie verzichtet und stirbt.

Aus dieser leicht surrealen Theaterkomödie hat Leos Janácek eine kurze Oper in drei Akten geformt: eine dramatische Reflexion über Leben und Tod. 1926 in Brünn uraufgeführt, spiegelt das Werk den Spätstil des tschechischen Komponisten mit seinen flüßig.funkelnden Parlando-Passagen und den gewaltigen, lyrischen Orchester-Aufschwüngen.
Doch der theatralische Mix aus Vergangenem und Gegenwärtigem, aus Realismus und Groteske erweist sich auf der Bühne oft als schwieriges Unterfangen und stellt die Regie vor große Probleme.
Auch die neue szenische – nicht die musikalische! – Realisierung an der Deutschen Oper scheitert an dem anspruchsvollen, vielschichtigen Werk.
Regisseur David Hermann hat sich von seinem Ausstatter Christof Hetzer einen etwas verwinkelten, hellen Salon bauen lassen, der mittels Austausch einiger Möbelstücke als Anwaltskanzlei, Theaterraum oder Hotelzimmer fungieren kann. Auf der linken Bühnenseite jedoch wird durch Teppich und Tapete ein altertümliches Ambiente angedeutet. Darin agieren Statisten in historischen Kostümen stumm als Personen aus Emilias (bis ins 16.Jahrhundert reichender) Vergangenheit, während gleichzeitig auf der rechten Bühnenseite der Anwalt und seine Klientel die „Sache Makropulos“ verhandeln. Im letzen Akt  – wenn Emilia über Tod oder Leben entscheidet – wird sie sogar von fünf Doubles aus ihrer 300jährigen Vergangenheit – alle wie sie in roten Kleidern – pantomimisch umschwirrt, doch – Achtung: Überraschung der Regie! -  sie stirbt nicht, sondern posiert während der letzten Orchester-Takte wie zu Beginn des Abend vor einem weißen Vorhang, auf dem ihre Namens-Initialen leuchten:  das Spiel beginnt von Vorn!
Doch all diese Verdoppelungen und stummen Spielereien helfen nicht weiter – wer das Libretto nicht gelesen hat, versteht nur ‚Bahnhof‘.  Abgesehen vom falsch gedeuteten Schluß, wirken Interpretation wie Inszenierung hilflos und  bieder.
Glücklicherweise steht Generalmusikdirektor Donald Runnicles am Pult und bringt Janáceks farbenreiche Musik zum vibrierendem Klingen und Leuchten, achtet sensibel auf feine Lyrismen oder sorgt für die kraftvolle Orchester-Dramatik. Als Emilia Marty beherrscht Evelyn Herlitzius die Bühne: eine schlanke, zierliche Figur, immer in Rot – ob Straßenkostüm, Abendkleid oder Morgenmantel – und mit machtvollem, hochdramatischen Sopran. Imponierend in ihrem Bühnen-Temperament, was fehlt, ist die erregende Kälte und gleissende Künstlichkeit der Janácekschen Figur. Stimmlich sehr am Stil Richard Wagners orientiert. Treffsicher sind die männlichhen Gegenpole besetzt: Ladislav Elgr (Gregor), Derek Welton (Prus), Gideon Poppe (Janek), Seth Carici (Anwalt) und in der Rolle eines närrischen, alten Ex-Geliebten: Robert Gambill.
Musikalisch -  ein ansprechender Abend, szenisch -  ziemlich fade.

Foto: Bernd Uhlig /Deutsche Oper Berlin

Premiere: 19.Febr.2016, weitere Vorstellungen:25./28.Febr.//27./ 30.April 2016