Kühle Glitzer-Show: ‚Der Nußknacker‘ in der Deutschen Oper***

Der Nussknacker Foto Fernando Marcos A050300Weihnachten naht und damit beim Staatsballett der beliebte Tschaikowsky-Klassiker vom „Nußknacker“. Vor drei Jahren erlebte eine Neuproduktion im Stil der russischen Uraufführung ihre aufwendige Premiere, jetzt zeigt Ballett-Chef Nacho Duarto seine eigene Fassung des klassischen Tanzmärchens, die er ursprünglich für St.Petersburg choreographiert hat und später dann auch an der Scala in Mailand einstudierte.

Laut Programmbuch spielt Nacho Duartos „Nußknacker“ 1918, im Jahr nach der Oktoberrevolution.. Das ermöglicht ihm, zu Beginn einen hellen Salon mit leichten Jugendstil- Anklängen zu zeigen, in dem eine elegante Gesellschaft den Weihnachtsabend zelebriert, die Damen in fließender Seide, die Herren im dunklen Frack. Onkel Drosselmeier, ein mittelalterlicher, quicker Herr in Kniebundhosen präsentiert pompös verpackte Geschenke, wobei die kleine Clara besoners entzückt ist vom ihr überreichten, hölzernen Nußknacker. Als die Gäste den Salon verlassen haben, verwandelt er sich in einen dunklen Raum vor einer hell-flimmernmden Sternenwand: Clara träumt und der Nußknacker verwandelt sich erst in eine roboterhaft sich bewegende, große Puppe, die den bösen Mäusekönig und dessen umherflitzende, graue Mäusekrieger im Zweikampf rasch besiegt. Und dann wird der Nußknacker zum lebendigen schönen Prinzen, der Clara ins Reich der tanzenden Sterne (statt Schneeflocken) entführt.

Diesem klar erzählten, aber nicht beonders „weihnachtlichen“ erste Teil, folgt – nach der Pause – eine flott ablaufende Tanz-Revue, deren einzelne Nummern (spanischer, arabischer, russischer Tanz usw.) ohne erzählerischen Zusammenhang hintereinander zügig ablaufen. Lediglich zu Beginn dieses Divertissements wird der Faden zur Sternen-Reise Claras und ihres Prinzen aufgenommen und dann wieder ganz am Ende zur „Apotheose“: alle Tänzerinnen und Tänzer verlassen die sich verdunkelnde Bühne, Clara bleibt allein zurück – im Arm der wieder zum hölzernen Nußknacker geschrumpfte Prinz.

Nacho Duarto hat den Tschaikowsky-Klassiker gleichsam auf zeitgenössischen Stil gebürstet – kühl, schnörkellos und geschickt dem aktuellem Geschmack angepasst. Die Formen des klassischen Tanzes werden zwar berücksichtigt, aber neu kombiniert, teils überraschend, teils ein wenig fade. Es wird keine weihnachtliche Stimmung oder märchenhafte Atmosphäre entfaltet, sondern eine temporeiche Tanz-Show präsentiert:  in schicken Kostumen und voll modischer Glitzer-Effekte. Ein „Nußknacker“ in Stil eines weltweit vermarktbaren Ballett-Musicals.

Das Ensemble des Berliner Staatsballetts macht dabei gute Figur. Zwar fehlen – noch immer – die herausragenden Super-Stars, aber die – vielfach wechselnden –  Solisten überraschen durch geschmeidige Bewegung und temperamentvolle Darstellung. Ob als sanfte Clara, hübscher Prinz, wirbelder Mäusekönig, ob als spanisches Paar, arabische Bauchtänzerin oder russische Matrosen: alle großen und kleinen Tänzerinnen und Tänzer, wie auch die riesigen Ensemble-Gruppen mit ihren eleganten „Chorus-Lines“ in Rosa und Weiß erzielen immer wieder reichlichen und begeisterten Beifall eines überwiegend jugendlichen (!) Publikums im großen Haus der Deutschen Oper.

Ein „Nußknacker“ hipp und heutig ?

Premiere: 7.Oktober 2016 in der Deutschen Oper

Foto: Fernando Marcos /Staatsballett